Wer vorankommen will, muss schon mal etwas Zeit investieren. Das macht unser Mandant Felix Streng jeden Tag, weil er Leistungssportler ist und nicht nur irgendwie dabei. Nach dem intensiven Wintertraining, zwei Trainingslagern und vielversprechenden Ergebnissen in der Hallensaison war schon der erste Start unter freiem Himmel ein Erfolg. Der Paralympics-Sieger von Rio 2016 mit der Staffel stieg beim Sportfest in Köln mit 10,91 Sekunden über 100 m ein. Hier lag er nur 0,02 Sekunden über seinem eigenen Rekord (10,89). Kurz darauf ließ er ein Stück weiter weg von zu Hause in Garbsen (Hannover) mit 7,46 Metern eine neue persönliche Bestleistung im Weitsprung folgen. Schon da stand fest: „Ich bin so weit, es kann losgehen.“ Also wagte er sich an den nächsten Härtetest. Das Motto: „Big in Japan.“ Alles war groß rund um den Golden Grand Prix, zu dem ihn die Gastgeber eingeladen hatten – der Aufwand für die Reise, das Stadion in Osaka, die Konkurrenz besonders aus den USA und am Ende auch der Erfolg. Als Felix nach dem Drei-Tage-Marathon wieder in der Heimat landete, hatte er einen Sieg über 100 Meter im Gepäck.
Am Freitag ging es nach der Uni (Studium der Betriebswirtschaftslehre in Köln) direkt zum Flughafen. Ungefähr 22 Stunden später war der Sprinter und Weitspringer am Hotel in Osaka. Es folgte ein lockeres Bewegungstraining – um besser schlafen zu können. „Das ging ganz gut, ich habe mich am anderen Morgen ganz gut gefühlt“, berichtet der 23-Jährige, der sich rechtzeitig auf den Weg ins Stadion machte. Dort spürte er auf dem Aufwärmplatz plötzlich doch die Reisestrapazen: „Vom Kopf her war alles in Ordnung, aber der Körper war ganz schön müde.“ Trotzdem zog er seine Routine vor einem Wettkampf voll durch und tastete sich langsam an die schnelleren Geschwindigkeiten heran. Die Hartnäckigkeit sollte sich auszahlen.
Felix läuft auf der Innenbahn – kein Traum für Sprinter. Direkt neben ihm an der Startlinie steht Jarryd Wallace, der amtierende 200-Meter-Weltmeister aus den USA. Ein Stück weiter weg ist in Blake Leeper ein zweiter sehr schneller US-Amerikaner zu sehen, der bei den Paralympics 2016 in Rio gesperrt war und zuletzt Fabelzeiten vor allem über 400 Meter gemeldet hatte. Die japanischen Leichtathletik-Fans auf den Rängen wissen, was sie unten geboten bekommen. Als der Starter das Zeichen gibt, ist im Stadion kein Laut zu hören. Es folgen knapp elf Sekunden, in denen alle alles geben – und an deren Ende Felix Streng vor Wallace und Leeper gewinnt. Die Uhr zeigt erst 10,94 Sekunden, die wenig später auf offizielle 10,93 Sekunden korrigiert werden. Im Interview auf der Laufbahn „muss“ Felix vor großer Kulisse direkt erklären, wie er das Rennen gesehen hat.
Erstens: „Mein Start war wieder nicht so gut. Daran müssen wir auf jeden Fall noch arbeiten.“ Zweitens: „Der hintere Teil des Rennens war ziemlich gut.“ Erst da gelingt es ihm tatsächlich, den schnellen und zunächst führenden Jarryd Wallace abzufangen und den ersten Platz zu sichern. „Es freut mich riesig, dass ich das für mich entscheiden und nach einem Jahr Verletzung wieder so in das internationale Geschäft einsteigen konnte. Das macht mich glücklich und gibt mir Selbstvertrauen für die nächsten großen Rennen“, betont Felix Streng, für den 2017 ein verlorenes Wettkampfjahr war (verletzt, krank). Alphaville, jene deutsche Popgruppe aus Münster, muss es in der 80er-Jahren gewusst haben, als sie ihren Hit „Big in Japan“ veröffentlicht hat: „Here’s my comeback on the road again.“ Der Europameisterschaften vom 20. bis 26. August in Berlin als Saison-Höhepunkt können kommen. Felix Streng ist endgültig zurück. Allein deshalb hat es sich gelohnt, mehr als 40 Stunden für etwas weniger als elf Sekunden zu investieren.