08. Juli 2018 | Zurück zur Artikelübersicht » |
David Behre hat lange mit sich gerungen und er hat noch länger darüber nachgedacht, welche Entscheidung er treffen muss, ohne sich selbst unter Druck zu setzen. Knapp sechs Wochen vor den Europameisterschaften der Paralympischen Leichtathleten vom 20. bis zum 26. August will er nun aber Klarheit schaffen: „Ich werde definitiv nicht in Berlin laufen.“ Der Weltmeister von Doha 2015 über 400 Meter und dreifache Medaillengewinner der Paralympics in Rio 2016 hätte bei den Europameisterschaften in Berlin starten können – und wäre dann das Risiko eingegangen, dass er sich wieder verletzt.
Es gibt ein ganzes Paket an Gründen dafür, dass unser Mandant am Ende gar keinen anderen Entschluss fassen konnte. Nach den Paralympics in Rio glaubte der Wahl-Leverkusener, dass er für 2017 auf dem richtigen Weg ist. Bei den Weltmeisterschaften wollte er seinen Titel über 400 Meter von 2015 in Doha verteidigen und war Mitte Juli auch schon mit der deutschen Mannschaft in London. Dann holten David erneut muskuläre Probleme ein und sorgten dann dafür, dass er schweren Herzens auf die WM verzichtete.
Das Wintertraining in der Halle und die ersten Einheiten im Frühjahr deuteten darauf hin, dass es mit dem Comeback in 2018 klappen könnte. Noch Mitte Mai war David, der sich in diesem Jahr auf 100 und 200 Meter konzentrieren wollte, kämpferisch: „Ich versuche alles, um für die EM wieder richtig fit zu werden.“ Der Rest war jedoch ein schwieriger Kampf, weil er beim Versuch, dem Körper die höchste Belastung abzufordern, immer noch kleine Beschwerden fühlte – und dafür nicht das hundertprozentige Vertrauen in sich selbst.
Was die Ärzte immerhin zu klären wussten: Dass immer wieder der Oberschenkel Sorgen machte, liegt an Davids Rückenproblemen. Die bekämpft er mit intensiven Stabilitäts-Training für den ganzen Körper. „David muss sich hier die nötige Zeit geben. Ein Schnellschuss könnte sehr leicht nach hinten losgehen und alle Fortschritte zu Nichte machen. Die EM in Berlin wäre definitiv noch zu früh gekommen“, sagt Dr. Tobias Fabian, zu dem David beinahe blindes Vertrauen empfindet.
Geduld muss David außerdem auf einem anderen Feld aufbringen. Weil das IPC (International Paralympic Committee) die Athleten neu vermessen und die Regeln zur Körpergröße geändert hat, braucht David neue Prothesen und neue Schäfte. Hört sich einfach an, ist aber zweierlei – teuer und kompliziert. Ausgerechnet in der aktuell schwierigen Phase muss sich der 31-Jährige an anderes Material gewöhnen – was den Körper zusätzlich beansprucht. Auch deshalb hat David nach Rücksprache mit Ärzten und Physiotherapeuten beschlossen, die unfreiwillige Pause zu verlängern.
Um sich von allen Seiten beraten zu lassen, hat sich David kürzlich mit Karl-Heinz Düe zusammengesetzt – jenem Mann, dem er seine größten Erfolge als Sportler zu verdanken hat. Düe war bis zu den Paralympics 2016 Davids Trainer und sogar mehr als das. Sein Mentor, der über die Jahre ein väterlicher Freund geworden ist, machte zunächst das, was „Eltern“ für ihre „Kinder“ tun. Er hörte zu. Dann äußerte er sich. Eindeutiger Rat: „Verschiebe dein Comeback.“ Das war der Punkt, an dem David nicht mehr lange nachdenken musste. Er wird nun nicht in Berlin laufen, sondern sorgfältig die Weltmeisterschaften 2019 und die Paralympics 2020 in den Fokus nehmen. „Unfinished Business“ heißt so etwas im Englischen. Aber es besteht kein Zweifel: David Behre ist bereit dafür, die Dinge zu Ende zu bringen.